Auf Reisen mit dem Boot kann es auch schon einmal Streit geben. Bei brütender Hitze hatten wir gerade in Gissey-sur-Ouche an einer wunderschönen Ausbuchtung des Canal de Bourgogne festgemacht, als vor uns der hohe Bug eines Hotelschiffes mit Namen „Hemingway“ mit seinem, uns beschimpfenden Kapitän auftauchte, weil wir seinen Liegeplatz blockieren würden. Ein Reserviert-Schild befand sich jedoch nur bei dem anderen Sportboot weit weg von uns, dessen Eigner lange uneinsichtig blieb. Schließlich konnte der Kapitän an seinem Steg anlegen, und weil wir, der kleine „Jonas“ und der große „Hemingway“ mit ihren blauen Rümpfen und weißem Deck so gut zueinander passten, tranken wir gemeinsam ein Versöhnungsbier. Schließlich war es ein harter, heißer Tag gewesen.
Später am Abend spazieren wir an jauchzenden, im Fluss Ouche schwimmenden und spielenden Kindern entlang und stoßen hinter einer sehr alten Steinbrücke auf ein wunderschönes Lavoir aus dem Jahr 1846. Die meisten Waschhäuser aus dieser Zeit sind recht schlicht gebaut. Funktional, wirtschaftlich und zuverlässig sollten sie sein, war die Auffassung der Architekten. Schließlich sollten sie nicht die Dörfer verschönern, sondern die Arbeit der Wäscherinnen erleichtern.
Mit den ersten, noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts erbauten Lavoirs feierte man allerdings noch etwas, das uns heute gar nicht mehr in den Sinn kommt, so selbstverständlich ist es geworden: die Zähmung des Wassers. Statt zum Wasser laufen zu müssen und es Eimer für Eimer nach Hause zu schleppen, gelang es in der industriellen Revolution, das Wasser in dicken, gusseisernen Rohren zu den Menschen zu leiten, dorthin, wo sie es brauchten. Eine grandiose Leistung.
Zum Bauen der Lavoirs nahm man das, was es in der Region gab. Runde Fliesen im Süden, ockerfarbene Wandfarben in der Provence, Fachwerk in der Normandie und die warmtonigen Steine im Burgund, die auch für das Lavoir in Gissey-sur-Ouche verwendet wurden. Und vielleicht, weil die Gemeinde Geld hatte oder weil sie glaubte, die Bürger mit einem schönen Waschhaus besser motivieren zu können, sich an die neuen Hygienemaßnahmen zu halten und öfter ihre Wäsche zu waschen als bisher, wurde der renommierte Architekt Auguste Sirodot mit dem Bau beauftragt.
Er hatte eine Vorliebe für Arkaden mit fünf Rundbögen, die sich in Gissey-sur-Ouche auf beiden Seitenwänden als Fensterarkaden wiederfinden. Drinnen werden die beiden Bogengänge durch das lange rechteckige Wasserbecken voneinander getrennt.
Scheint eine halbkreisförmige Mauer die schmale Fassade des Lavoirs von weitem zu umschließen, wird sie aus der Nähe von einer Treppe durchbrochen – und das fehlende Stück zu einem halbrunden Brunnen an der Vorderfront, aus der ein kupferrotes Löwenmaul Wasser sprüht. Den Brunnen umgeben zwei doppelflügelige Türen, die wiederum von Schmuckpfeilern eingerahmt werden, auf denen drei ummauerte Rundbögen ruhen – und das Lavoir in ein architektonisches Schmuckstück verwandeln.