Manchmal ist eine Reise mit dem Boot einfach nur beglückend wie unsere erste Begegnung mit dem Fluss Doubs. Wild und abenteuerlich, rau und ruhig, aber stets von beeindruckender Schönheit mäandert er durch das Juragebirge. Im Hafen von Dôle liegen wir direkt unter der imponierenden Stiftskirche Notre-Dame und im nahegelegenen Gerberviertel entdecken wir ein unterirdisches Lavoir, die Grande Fontaine.
Eine Treppe führt hinunter in ein schmales, aber hohes Kellergewölbe aus gemauerten grünbemosten Wänden zu einer in blau-lila Farbtönen angestrahlten Gittertür, hinter der sich nach wenigen Metern eine weitere Tür zu einem Restaurant öffnet. Also zurück und noch weiter abwärts auf einen langen Holzsteg bis zu einem großen, sehr hohen Raum. Im Zwielicht unter uns fließt ein kräftiger, den gesamten Kellerboden füllender Strom, der weiter vorne aus dem Felsen quillt und auch noch ein großes, ovalförmiges Becken füllt. Nicht nur das ist auf den ersten Blick sehr verwirrend, uns irritiert auch noch von oben eindringendes Sonnenlicht und fröhlich-brausender Stadtlärm. Ein Blick nach oben offenbart uns taghelle Hauswände, vorbeifahrende Autos und ein Geländer, von dem Menschen zu uns herunterschauen und winken.
Diese äußerst merkwürdige Lage des Waschhauses lässt sich nur durch seine Geschichte erklären. Die Wasserquelle entspringt dem Mont Roland und drückt ihr Wasser viele Kilometer durch die Kalksteinschichten, bis es sich hier am letzten Bogen einer romanischen Brücke zu einer Grande Fontaine aufstaut. Die Quelle ist seit dem 13. Jahrhundert bekannt und half den Bewohnern der Stadt Dôle während der Kriege in den Jahren 1479 und 1636 der Belagerung standzuhalten, weil das Wasser der stetig sprudelnden Quelle für alle ausreichte. Als man später das wertvolle Trinkwasser aber auch zum Wäschewaschen nutzte und für die Körperreinigung, wurde im 19. Jahrhundert ein großes ovales Becken in der Mitte des Gewölbes errichtet, um das entstandene Schmutzwasser besser ableiten zu können. Nach einem Einbruch des Gewölbes an mehreren Stellen wurde es mit Stahlbeton abgesichert, das Wasserbecken wurde zuletzt 1986 restauriert.
In dem merkwürdig feuchtkalten und gleichzeitig hellen Raum mit seinem widerhallenden Rauschen von unten und dem Raunen von oben fühle ich mich in eine weit zurückliegende Welt versetzt, malerisch und unheimlich zugleich. Ein Kind spielt mit dem Wasser und wird von seiner Mutter vielstimmig zur Ordnung gerufen. Laken werden mit Seife bearbeitet und im Wasser hin und her geschwenkt, Frauen scherzen und lachen, klatschen über ihre Nachbarn im Dorf. Oft warnen die Alten die Jungen, um sie vor Fehlern zu bewahren. Nicht das Hemd deines Babys schlagen, es bekommt sonst Koliken. Pass auf, dass deine Schürze nicht nass wird, sonst wird dein Mann ein Säufer. Singe nicht beim Waschen, du kriegst sonst einen Verrückten zum Ehemann.
Aber- und Irrglaube waren damals weit verbreitet, aber ist es heute nicht genauso, überlege ich beim Schreiben dieses Textes. In unserer aktuellen Corona-Pandemie muss man hilflos zusehen, dass sich tausende, irrgläubige Menschen auf Demonstrationen ohne Maskenschutz daran festklammern, Covid19 sei eine Erfindung, während rings um uns herum täglich Menschen an dem Virus sterben.
Aber dann verhallt das Geschwätz der Irrgläubigen von heute wie der Waschweiber von früher in den lauten Stimmen anderer Besucher, die sich um den besten Platz für ein Selfie streiten, und wir verlassen diese wunderschöne unterirdische Welt der Grande Fontaine in Dôle.